Russland – Teil 1
Die ersten Tage in Russland verliefen gut. Als erstes fällt einem der krasse Unterschied zu Estland auf. Während dieses trotz dünner Besiedlung überall hervorragende Straßen bietet und ein Paradies für “Freisteher” wie uns ist, kommt man in Russland in einer anderen Welt an. Es ist überall wirklich viel Verkehr und viele Menschen sind unterwegs. Die Hauptstraßen sind auch generell gut ausgebaut, die Nebenstraßen hingegen ohne Trecker ( oder Lada ) nicht zu befahren. Generell gilt, dass überall – wo es betoniert ist – auch irgendwie gefahren wird und zwar reichlich. Zudem gibt es kaum geschützte Parkplätze, was die Stellplatzsuche wirklich sehr erschwert. Die erste Nacht haben wir auf dem Parkplatz vor einem Friedhof in Isborsk verbracht, die zweite kurz vor Novgorod am Rand einer Nebenstraße und die dritte wieder an einem Friedhof in der Nähe von St. Petersburg. Positiv ist hingegen, dass es niemanden zu stören scheint, wenn da ein Deutscher am Straßenrand steht und übernachtet. Selbst die Polizei eben hat nur eine kurze Runde mit dem Auto an uns vorbei gedreht und ist wieder abgedüst. Generell sind die Russen da eher stoisch und frei nach dem Motto, jedem seins und lieber nicht zu genau hinschauen. Die einzige Plage sind die Mücken, die bei Einbruch der Dämmerung zu Dutzenden vor unserem Mückennetz lauern und jeden Toiletten Gang zur Herausforderung machen. Selbst direkte Autan-Sprühstösse scheinen die Tiere nicht zu beeindrucken, so dass Fenistil unser neue Freund ist ( gibt es übrigens auch in russischen Apotheken ).
Die Städte ( auch Pskow ) sind alle sehr alt und haben einiges zu bieten. Und auch wenn es inzwischen erste Busreisen für Russen gibt, ist das touristische Aufkommen doch noch sehr überschaubar. In Novgorod findet man vor allem Tagesreisende aus St. Petersburg. Sonst werden von Russen vor allem die Klöster besucht, die alle irgendwelche Heilwässerchen und Ikonen verkaufen.
Unsere Erfahrungen an der Grenze setzten sich übrigens fort und sobald wir versuchten auf Russisch zu kommunizieren, tauen wirklich alle auf und zeigen sich überwiegend freundlich (selbst die Dame am Metro Verkaufsschalter in Petersburg).
Ein weiteres Vorurteil über den miesen Fahrstil in Russland hat sich übrigens auch nicht bestätigt. Es wird zwar permanent die Geschwindigkeit überschritten ( die mit 60 in den Städten eh recht hoch ist ) und durchaus selbstbewusst gefahren, aber meiner Meinung nach nicht so rücksichtslos wie teils in Deutschland. Im Gegenteil wird man mit fremdem Kennzeichnen eher tolerant behandelt. Und wenn eine Babuschka am Zebrastreifen über die Schnellstraße möchte, legen auch vier Spuren gleichzeitig eine scharfe Bremsung hin und warten geduldig bis Muttchen mit der Enkelin über die Straße geschlichen ist (gut, verlassen sollte man sich darauf nicht und immer gut schauen, bevor man losgeht…). Herausforderung ist allerdings das Abbiegen über mehrere Spuren an großen Kreuzungen ohne gesonderte Ampelschaltungen. Und Polizei sowie Militär hat immer Vorfahrt…
Negativ fällt hingegen die permanente Videoüberwachung auf. Immer und überall wird man von Kameras beobachtet, die natürlich nur der Sicherheit dienen… Auch ist gerade in ländlichen Gegenden die Zeit teilweise stehen geblieben. Man fühlt sich wie in alten sowjetischen Filmen und sieht auch auf den Straßen Autos, die man – wie Julia sagt – sonst nur aus schwarz-weiss Filmen kennt.
Generell fühlen wir uns aber sehr wohl hier und sind jetzt nach zwei Nächten in einem St. Petersburger Hostel wieder unterwegs und übernachten jetzt in der Nähe der Schlüsselburg, die wir morgen besichtigen wollen, bevor es dann weiter nach Wyburg und dann nach Karelien geht.
Petersburg selber ist wirklich schön, hat uns aber nicht vollkommen überzeugt, da die ganze Stadt eher wie ein großes Schloss wirkt und wirklich alte Teile vermissen lässt. Unser Bedarf an Jugendstil ist jetzt auch erst mal für einige Zeit gedeckt 😉 Wirklich toll war aber unser Hostel. Dies bestand nur aus drei Zimmern und war wohl eine ehemalige Kommunalwohnung im siebten Stock eines Wohngebäudes von 1912. Man war mitten im Leben der Petersburger. Die Besitzerin war auch sehr nett und sprach zudem perfekt Englisch, was doch einiges erleichterte. U.a. die Vermittlung eines nahen, bewachten und preiswerten Parkplatzes. (~9€ für 50h).